Selbstwert und Selbstliebe sind große Worte. Im Alltag lassen sie viele ratlos zurück: Wie soll das gehen – sich mögen, wenn Zweifel laut sind; sich achten, wenn man Fehler sieht? In der psychodynamischen Perspektive meint Selbstwert zunächst einen inneren Boden, der trägt – besonders dann, wenn etwas misslingt. Selbstliebe ist keine ständige Zufriedenheit, sondern eine Haltung milder Zugewandtheit zu sich selbst. Beides entsteht nicht über Nacht, sondern wächst aus wiederholten Erfahrungen von Gesehenwerden, Grenzen und Verlässlichkeit.
Begriffe entlasten
Oft wird Selbstliebe missverstanden als Auftrag, sich immer gut zu fühlen. Das erzeugt Druck und verfehlt den Kern. Gemeint ist eher eine Form von innerer Freundschaft: ein Ton, der nicht entwertet, wenn etwas schwierig ist. Selbstwert und Selbstliebe sind damit kein Ziel, das man erreicht, sondern eine Qualität, die sich im Umgang mit sich selbst und in Beziehungen entfalten darf.
Wie innere Stimmen entstehen
Der innere Umgangston hat Geschichte. Kinder lernen, wie man mit Fehlern, Grenzen und Bedürfnissen umgeht, indem sie erleben, wie Außen auf Innen antwortet. Aus diesen Antworten werden innere Stimmen – manche freundlich, andere hart. Im Erwachsenenleben klingen sie weiter, oft leise, aber wirksam. In der Therapie interessiert nicht, wer ‚schuld‘ ist, sondern wie diese Stimmen heute wirken und was sie schützen möchten.
Der Raum der Therapie
Therapie schafft einen Ort, an dem man sich selbst begegnen kann, ohne sich verteidigen zu müssen. Es gibt nichts zu beweisen. Pausen sind erlaubt. Dinge dürfen unsagbar bleiben, bis Sprache entsteht. Im Mittelpunkt steht eine Beziehung, die trägt: Eine Haltung, die aufmerksam ist, ohne zu drängen; eine Sprache, die präzise ist, ohne zu verletzen. So kann sich das Eigene in Ruhe formen.
Was im Hier-und-Jetzt bedeutsam werden kann
Mitunter zeigt sich im Gespräch ein vertrautes Muster: der reflexhafte Anspruch, alles richtig zu machen; die Angst, zu viel zu sein; die Neigung, Enttäuschung vorwegzunehmen. Solche Bewegungen werden nicht korrigiert, sondern verstanden. Sie erzählen davon, wie Zugehörigkeit gesichert wurde und wie Schutz funktioniert. Das gemeinsame Wahrnehmen macht sie verhandelbar.
Entwicklung im Verlauf
Veränderung wirkt oft leise. Der innere Ton wird freundlicher, Entscheidungen weniger von Angst getrieben, Nähe tragfähiger. Selbstwert zeigt sich dann darin, dass man nicht bei jedem Misslingen zusammenfällt. Selbstliebe in dem Mut, sich nicht zu verlassen, wenn man sich schwertut. Es geht nicht um ein Ideal, sondern um ein lebendiges Maß, das zum eigenen Leben passt.