Unter Trauma verstehen wir Erfahrungen, die zu schnell, zu viel oder zu anhaltendvwaren – für das, was damals zur Verfügung stand. Das Nervensystem reagiert darauf nicht willentlich, sondern schützend: mit Alarm, Erstarrung, Flucht in Gedanken oder in Handlungen, mit großer Empfindlichkeit oder mit Abspaltung. Es geht nicht um Schwäche, sondern um eine verständliche Überforderung. In der therapeutischen Arbeit erhält dieses Erleben einen ruhigen Ort. Ziel ist nicht, etwas zu vergessen, sondern besser darüber verfügen zu können.
Wie sich Trauma zeigen kann
Traumafolgen sind vielgestaltig und müssen nicht spektakulär wirken. Manche Menschen erleben Phasen starker innerer Unruhe, andere eher Leere und Erschöpfung; oft wechseln beide Zustände. Es kann zu plötzlichen Erinnerungsfetzen kommen oder zu dem Gefühl, wie abwesend zu sein. Nähe kann sich gleichzeitig gewünscht und bedrohlich anfühlen. Der Körper spricht häufig mit – Schlaf, Atem, Spannung, Verdauung, Schmerz. Entscheidend ist nicht die Vollständigkeit einer Liste, sondern dass alles, was sich zeigt, ernst genommen wird.
Komplexe Traumatisierung
Von komplexer Traumatisierung sprechen wir, wenn Belastungen wiederholt, über längere Zeit und häufig in wichtigen Beziehungen stattfanden – etwa in der Kindheit oder in Situationen anhaltender Fremdbestimmung. Die Folgen betreffen dann oft verschiedene Ebenen: Selbstgefühl, Bindung, Affektregulation, Vertrauen. Der Begriff ist keine Schublade, sondern ein Hinweis darauf, dass der Prozess mehr Zeit, mehr Verlässlichkeit und eine besonders respektvolle Dosierung braucht.
Der therapeutische Rahmen
Sicherheit geht vor Tempo. Der Rahmen sorgt für Verlässlichkeit: klare Zeiten, ein geschützter Ort, eine zugewandte Haltung. Es gibt keine Pflicht, Erlebnisse im Detail zu schildern. Sprache darf wachsen, ohne zu drängen. Manchmal ist es hilfreicher, zunächst an der Gegenwart anzusetzen – an Schlaf, Alltag, Kontaktfähigkeit –, bevor Vergangenes näher herankommt. Wichtig ist, dass Sie die Erfahrung machen, Einfluss auf Nähe und Abstand zu haben.
Was im Hier-und-Jetzt bedeutsam werden kann
In der Stunde zählen kleine Zeichen: ein Blick, der weggeht; ein vager Druck im Brustkorb; ein Satz, der nicht zu Ende gesprochen werden kann. Wir achten auf Schutzimpulse und respektieren Grenzen. So wird erlebbar, dass Annäherung möglich ist, ohne zu überfluten – und Distanz, ohne sich zu verlieren. Dieses Mit-der- Zeit-Annähern ist keine Umständlichkeit, sondern ein Ausdruck von Sorgfalt.
Verlauf
Der Weg ist selten linear. Gute Tage und schwierige Tage wechseln sich ab. Fortschritt zeigt sich oft leise: in Momenten von Selbstfreundlichkeit, in etwas mehr Schlaf, in der Erfahrung, eine Situation früher verlassen zu dürfen, in dem Gefühl, wieder atmen zu können. Inseln von Sicherheit werden größer. Erinnerung muss nicht verschwinden, um weniger zu beherrschen.